Auf den ersten Blick sind wir ganz einfach: Kartoffel und Kürbis.
Veröffentlicht in der Märkischen Oderzeitung
Vor zehn Jahren haben Franziska und Amelie Wetzlar in Quappendorf mit wenigen Schafen angefangen zu wirtschaften. Ihr Betrieb steht heute solide da: Sechzig Schafe der Rasse Krainer Steinschaf, die Käserei, ein kleiner Hofladen und viel Sinn für Vermarktung sind die wirtschaftliche Basis des Milchschafhof Pimpinelle. Corona hat den Frauen eine Steigerung des Direktverkaufs über den eigenen Verkaufstresen von 30 auf 70 Prozent beschert. In den Jahren davor war das Verhältnis umgekehrt: Drei Viertel der Produkte verließ den Hof. «In der zweiten Jahreshälfte mussten wir den Läden absagen, weil wir alles im Hofladen verkauft hatten. Das hat uns sehr gefreut», sagt Franziska Wetzlar.
«Wir hatten auch Glück in der Krise, denn wir liefern nicht an die Gastronomie.»
Corona-Hilfen mussten sie keine beantragen. Es gelang den Frauen, weitere sechs Hektar Land in Hofnähe zu pachten. Ein durch Crowdfunding finanzierter Stall, ein neuer Melkstand: «Die Schäferei hinkte immer hinter der Käserei her, denn die Vermarktung stand im Vordergrund. Endlich kann in die Schäferei investiert werden», freut sich Amelie Wetzlar. Beiden Frauen ist bewusst: «Wir hatten auch Glück in der Krise, denn wir liefern nicht an die Gastronomie.»
Gärtnerfamilie Kersten in Not
Die Gärtnerei Querbeet in Rathstock hatte kein Glück. Seit 2014 betreiben Franzisca und Volker Kersten Gemüse- und Obstanbau auf anderthalb Hektar. Corona beschert dem Ehepaar wirtschaftlich ein verflixtes siebtes Jahr. Der Direktverkauf im Hofladen konnte den Absatzeinbruch, bedingt durch den Ausfall von Händlern und Gastronomen, nicht wettmachen. Familie Kersten hielt sich mit Jungpflanzenverkauf über Wasser. Dann kam die Zwiebelfliege. Weil Volker Kersten «mithelfendes Familienmitglied» ist, gab es weder Corona-Hilfen noch Kurzarbeitergeld. Facebook, der einzige Außenauftritt der Gärtnerei, ist durch Arbeiten am Glasfasernetz lahmgelegt. «Wir können unsere Gewächshäuser nicht heizen. Das Homeschooling für unsere drei Kinder klappt schlecht, weil das Internet nicht funktioniert. Unsere letzte Rate konnten wir nicht bezahlen, sonst hätte die Gärtnerei jetzt uns gehört.»
Der Gärtnerfamilie Kersten geht es nicht gut. Im März könnte der Verkauf mit Salat und Radieschen starten. Im Mai gibt es Frühkartoffeln. Auf Sicht will man Gemüsekisten ausliefern. Die Gärtnerfamilie hofft, dass Kunden aus der Region sie dann durch ihren Einkauf unterstützen.
«Auf den ersten Blick sind wir ganz einfach: Kartoffel und Kürbis.»
Nur wenige Autominuten von der Gärtnerei Querbeet entfernt bewirtschaften Hanna und Johannes Erz ihren Zwanzig-Hektar-Betrieb an der Hauptstraße 7 in Rathstock. Von 6.30 bis 19.30 stellt das Paar einen Ab Hof-Verkauf von Bio-Eiern und -Kartoffeln zur Verfügung. Das Kerngeschäft ihres Betriebes ist der Verkauf ihrer selbstproduzierten Kartoffeln und Hokkaido-Kürbisse an zwanzig bis dreißig Abnehmer in Berlin. Im ersten Lockdown verzeichnete der Betrieb eine Umsatzsteigerung von 250 Prozent. Die Agrarwissenschaftler sind nun dabei, neue Gemüsesorten wie die Zucchini und die Linse in ihr Portfolio zu integrieren und wollen ihre Anbauflächen erweitern.
Hanna und Johannes Erz haben seit ihrer Gründung 2012 vieles ausprobiert und wieder verworfen. Ein Großteil ihrer Flächen war bis 2019 verpachtet. Seit sie diese Flächen selbst bewirtschaften dürfen, starten sie durch. Das liegt auch an der Unternehmerpersönlichkeit und ihrer Dynamik als Paar. Die Erzens interessieren sich für jedes Rädchen in der Wertschöpfungskette. Gleichzeitig verlieren sie niemals den Gewinn aus dem Auge. «Auf den ersten Blick sind wir ganz einfach: Kartoffel und Kürbis. Wir werden oft belächelt, aber wir haben uns einen Namen erarbeitet», so Johannes Erz.
Echte Dorfkultur
«Dannenberger Biohof» heißt der Betrieb der Familie Petermann. Zu ihm gehören ein Hofladen und eine Milchtankstelle. Petermanns bewirtschaften mit zehn Angestellten und einem Azubi 650 Hektar Land. Sie betreiben Ackerbau und Rinderhaltung. Ihre 140 Milchkühe geben im Jahr etwas über eine Million Liter Milch. Das klingt viel, aber dass wirklich etwas hängenbleibt vom Verkauf, das haben die Petermanns ihrer Milchtankstelle zu verdanken. Ca. 130 Liter frische Bio-Milch zapfen die Kunden täglich ab.
Im Hofladen vermarkten die Petermanns das Fleisch ihrer Rinder. Geschlachtet wird, wenn genügend Interessenten vorbestellt haben. Das ist im Schnitt zwei Mal im Monat. Im Hofladen werden hauptsächlich Produkte aus der unmittelbaren Region verkauft. Sie sind liebevoll präsentiert. Die Verkäuferinnen Bettina Busse und Christine Gehrke stehen für echte Dorfkultur. «Es sind Werte verloren gegangen auf der Nachbarschaft. Dass man sich grüßt. Mal ein Späßchen macht... Bitte. Danke. Das wird von unseren Kunden geschätzt», sagt Bettina Busse.
Direktvermarktung ermöglicht kostendeckende Erzeugerpreise
Für Familie Petermann ist der Hofladen elementar. Sie erwirtschaften dort ein Drittel ihres Umsatzes: «Ohne den Aufwand, den wir mit Hofladen und Milchtankstelle betreiben, könnten wir mittelfristig nicht existieren. Er ermöglicht uns kostendeckende Erzeugerpreise aufzurufen», erklärt Skadi Petermann, die Tochter von Jens und Gabriela Petermann.
Da 60 Prozent der Kunden aus Berlin kommen und nur 40 Prozent aus dem näheren Umland, wirkt sich der Lockdown mit seiner 15 Kilometer-Regel nachteilig auf den Umsatz aus. «Die Kunden entscheiden, ob wir existieren können», sagt Skadi Petermann mit fester Stimme. Sie ist 23 Jahre alt und Landwirtschaftsmeisterin. «Ohne regionales Bewusstsein sterben Betriebe wie wir aus.»
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