Alles an ihr ist schön und traurig zugleich. Yaël träumt sich beim Songwriting hinaus aus Kochav Yair.
Porträt der israelischen Band Lola Marsh
Grün ist die Hoffnung, sind die Hügel von Galiläa und die Farbe des Propheten. Grün war die Tinte, mit der nach dem Sechstagekrieg Politiker die Grenzlinie zwischen Israel und dem Westjordanland auf der Landkarte markierten. Grüne Linie heißt dieses Grenzland, und am äußeren Rand dieser Zone, dreißig Minuten von Tel Aviv entfernt, liegt das 1986 von Ariel Scharon gegründete Städtchen Kochav Yair, „Leuchtender Stern“. Aus diesem Ort kommt Yaël Shoshana Cohen, die Sängerin von Lola Marsh. Alles an ihr ist schön und traurig zugleich. Yaël träumt sich bis heute beim Songwriting hinaus aus Kochav Yair. „Da ist es so eng in dieser Welt, dass man versucht zu entkommen, in Tagträume hinein“, erinnert sie sich. „Ich ging in die Felder hinaus und las Bücher. Beim Songwriting tue ich immer noch das Gleiche: Ich entkomme in andere Länder, Kulturen, in Fantasiewelten.“
Wie ein Song nach Europa kam
Es war eine Schweizerin mit palästinensischen Wurzeln, Rashida Khader, die Dominic Oehen, Mitarbeiter der Agentur Radicalis, auf den Song „Sirens“ von Lola Marsh aufmerksam machte. Oehen veranstaltet in Basel die Mittwochskonzertreihe „Wohnzimmermusik“. Khader besucht die Konzerte regelmäßig und lässt den Talentsucher teilhaben an ihren musikalischen Entdeckungen. Gefunden hatte sie Lola Marsh im Internet auf Balcony TV Tel Aviv. Sie war berührt von der Stimme und der Leichtigkeit der Musik. Neugierig geworden, fing Khader an über die Band zu recherchieren und stellte fest, dass der Gitarrist Gil Landau der Bruder des Mannes ist, mit dem sie während eines Rucksackurlaubs durch Indien eine Nacht lang über den Israel-Palästina-Konflikt diskutiert hatte. Sie sind heute noch befreundet: „Nir Landau und ich erzählten uns in dieser Nacht von einem Israel, das unterschiedlicher nicht sein konnte.“
Durch die Verbindung zu Landau erhielt Lola Marsh eine besondere Bedeutung für die Baslerin. Sie teilte die Entdeckung mit Dominic Oehen. „Der Song hat mich umgehauen“, sagt Oehen. „Ich habe nicht lang gefackelt und mich gleich bei der Band gemeldet.“ Er verhalf Lola Marsh im Dezember 2015 zu einem Club-Auftritt im Bleu Lézard in Lausanne und im Bogen F in Zürich.
Warum Lola Marsh aus Israel kommen
Lola Marsh sind eine fünfköpfige Band aus Tel Aviv, dem Tor Israels in die westliche Welt mit einer vielfältigen Musik- und Clubszene. Hier lernten sich die Musiker Gil Landau und Yaël Shoshana Cohen kennen. Die beiden sind Herz und Hirn der Band. Der Bassist Mati Gilad, Schlagzeuger Dekel Dvir und Gitarrist und Pianist Rami Osservaser kamen später hinzu. Sie seien wie eine große Familie. Überhaupt die Familie: Cohen und Landau, das sind prominente Namen der jüdischen Tradition. Sie seien kein Stück religiös, sagen sie, aber sie verehren ihre jüdischen Großmütter: „Meine Großmutter ist weise, schöpferisch, wild und lustig. Ihre Familie kam aus Polen“, erzählt Sängerin Yaël. „Sie sind noch vor dem zweiten Weltkrieg nach Argentinien geflohen. Dort wurde meine Großmutter geboren. Später wanderte sie nach Israel aus. Ich habe auch gehört, dass ein Vorfahre ein bedeutender Rabbiner in Prag war.“ Gil Landaus Großmutter kommt aus Leipzig. Die 94jährige lebt mitten in Tel Aviv in einer Wohnung im vierten Stock. „Sie hat viel durchgemacht und floh 1941 über die Berge nach Palästina“, sagt Gil. Welche Berge? „Ich kenne die Fluchtroute nicht. Hab sie nie gefragt. Ich schäme mich.“
Die Musik von Lola Marsh
Melancholie und Hoffnung: Die Songs von Lola Marsh schaffen Nähe und Weite. Die Texte schreibt Yaël, die Kompositionen sind von Gil. „Wir sind Israelis, wir sind jüdisch, aber wir wollen nichts übermitteln. Wir wollen etwas teilen. Es geht uns nur um die Musik“, sagt Yaël. „Ich weiß, es ist ein Klischee, aber Musik verbindet. Wir haben Länder, Kulturen, Religionen – und plötzlich spielt alles keine Rolle mehr. Musik ist die Sprache, die jeder spricht und jeder versteht.“ Gil Landau erinnert sei erstes Fühlen nur in Zusammenhang mit Musik und ihre epischen Weiten. „Der erste Song, den ich geliebt habe, war 'Shine on Your Crazy Diamond' von Pink Floyd. Es sind diese offenen Vibes.“ Zuhause bei Yaël wurde klassische Musik gehört und Musicals. „Ich liebe Elvis, Edith Piaf und Julie Andrews. Ich kenne jeden Song und jeden Film von ihr.“