Elegant und lautlos, als würde sie mit Fallwinden segeln, verschwindet die Skirennfahrerin aus dem Blickfeld.
Veröffentlicht in der SonntagsZeitung, Beilage Wallis Extra
Visuals von Rob Lewis
In den Walliser Gletscherskigebieten finden die Athletinnen von Swiss Ski optimale Trainingsbedingungen vor. Die SonntagsZeitung hat die Medaillenanwärterinnen von Sotschi einen Tag lang auf dem Steilhang von Saas-Fee begleitet.
Die Piste hat sie sich verdient, so gut wie die sich anfühlt: mit einen Neigungsgrad von 45% und bretthart, mit vollkommen symmetrischen Rillen. Als hätte sie der Bergbahndirektor persönlich geharkt. Der Schnee ist kompakt und fest, wie ihn Profis lieben.
Fränzi Aufdenblatten fokussiert. Schroffe Bergwelt vor dem inneren Auge. Weltcup und Olympiade vor sich. Volle Konzentration auf den Start. Der erste Lauf beginnt. Die Trainercrew hat sich mit Videokameras an mehreren Punkten des Gletschersteilhangs positioniert. Elegant und lautlos, als würde sie mit Fallwinden segeln, verschwindet die Skirennfahrerin aus dem Blickfeld. Denise Feierabend, Nadja Inglin-Kamer und Marianne Kaufmann-Abderhalden, die anderen Weltcup-Fahrerinnen des Swiss Ski-Teams, folgen nach. Dann kommen die jungen Athletinnen des Europacup. Sie sollen von den älteren lernen. Dynamisch, mit lebhaften, grossen Bewegungen, manchmal unsicher, werfen sich Andrea Dettling, Joana Hählen und Michelle Gisin in den Steilhang von Saas Fee.
Das Team "Weltcup 1 Frauen" unter der Leitung des Chef-Trainers Manuel Gamper ist seit Monaten zusammen unterwegs, zuletzt in Argentinien und Chile. Die Rückkehr in die Schweiz ist nach schwierigen Trainingsbedingungen in Übersee für die Athletinnen etwas Besonderes, nicht nur, weil es Heimat ist. "Wir finden in Saas Fee extrem gute Bedingungen vor. Das ist eine Basis, von der andere nur träumen können", weiss Chef-Trainer Manuel Gamper. Er spricht aus langjähriger Erfahrung und sieht auch als Südtiroler keine Veranlassung, andere Gletscherskigebiete im europäischen Ausland schönzureden. Die hohe Qualität der Walliser Skigebiete spiegelt sich auch in den seit Jahren exzellenten Bewertungen der Kundenzufriedenheitsstudie "Best Ski Resort" wider. Über 40.000 Wintersportler in 55 Destinationen Europas wurden dazu in einem aufwändigen Verfahren befragt. Dass Saas-Fee 2012 international für Schneesicherheit und Pistenqualität den ersten Platz einnahm, macht nicht nur die Saastal Bergbahnen stolz - es unterstreicht vielmehr, was Trainer und Athleten immer wieder betonen: dass die Walliser Skigebiete die besten sind.
Die perfekte Piste am frühen Morgen auf dem Feegletscher auf 3500 Meter über dem Meer. Bergbahnarbeiter in nagelneuen Pistenbullys haben ihre Arbeit verrichtet. Die Bergwelt ist in goldenes Licht getaucht. Das Skiteam ist bei Dunkelheit aufgebrochen, damit die erste Athletin pünktlich um 9 Uhr starten kann. Im Allalin-Express kreisen Gespräche um Dopingkontrollen und Sotschi. Es ist eng: Eine Redakteurin und ein Kameramann vom ZDF nehmen mit einer Kiste voller Filmmaterial viel Platz in der Gondel ein. Sie begleiten die Monoski-Athletin Anna Schaffelhuber vom Deutschen Paralympics-Team. Auch das Swiss Paralympic Ski Team trainiert auf dem Feegletscher. Der Weg mit dem Rollstuhl auf den Gletscher, wo die Athleten mit Hilfe ihrer Betreuer den Monoski unterschnallen, ist beschwerlich. Auf breiten Abfahrten wie Gletscherpromenade, Derbyschuss oder Weisse Meile sind dann alle gleich und ausnahmslos schnell unterwegs: die Schweizer Frauen, die Swiss Ski Weltcup 2 Herren, Swiss Ski Telemark, die Weltcup-Mannschaft aus Tschechien und zwei Teams aus Japan.
Die Tagesplanung ist straff, denn vier Läufe müssen bis 11 Uhr absolviert sein. Die Abreise ins Pitztal nach Österreich steht kurz bevor. Um keine Zeit zu verlieren, nimmt das Team von Manuel Gamper den besonderen Service der Saastal Bergbahnen wahr: Sobald die Athletinnen durch die Zielgerade gefahren sind, fährt sie ein Pistenbully direkt bis vor den Stollenausgang der Station Mittelallalin. Speed für Pistenbullyfahrer. Massarbeit und Technik sind in der Pistenpräparation gefragt: "Die Piste für Swiss Ski wurde am Tag zuvor extra gewässert", erklärt Matthias In-Albon, stellvertretender CEO von Saastal Bergbahnen. "Die Pistenpräparation geschieht vom Helikopter aus. Das gibt eine extraharte Schicht", so der Technik-Experte.
Nebst allem Perfektionismus am Berg ist es die Gastfreundschaft im Wallis, die die Profis schätzen: "Alle Leute hier sind hilfsbereit", sagt Cheftrainer Manuel Gamper. "Sie wollen ja auch, dass die Schweizer Mannschaft Erfolg hat." Richtig ernst wird es für die erste des Trainingstages, Fränzi Aufdenblatten, am 29. und 30. November in Beaver Creek in Colorado. Die perfekte Piste heisst dort Raubvogelpiste, die "Birds of Prey". Sie wurde von Bernhard Russi entworfen und gilt als sehr anspruchsvoll. Auf dem bisher einzigen Weltcup-Rennen der Damen 2011, Disziplin Super G, siegte die Amerikanerin Lindsey Vonn. Mit Platz 2, 4, 6 und 7 waren ihr die Schweizerinnen Fabienne Suter, Martina Schild, Fränzi Aufdenblatten und Dominique Gisin dicht auf den Fersen.